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Was Tamara Funiciello zum Schweigen bringt (und wie lange), wem Albert Rösti auf der Nase rumtrommelt, wo die Bürgerlichen ihre Satiriker*innen verstecken und wie links Karin Keller-Sutter wirklich ist, erfahrt Ihr in diesem Grusswort an die Bundespräsidentin 2025.

Ende letzten Jahres habe ich die Wahlfeier von Karin Keller-Sutter moderiert und dabei unter anderem diesen Text im Stadtsaal Wil vorgetragen.

Grusswort an Karin Keller-Sutter

Nun, liebes Publikum, kommen wir zur Hauptprotagonistin des heutigen Tages, zur Frau der Stunde, zu Karin Keller-Sutter. Oder wie wir hier in der Ostschweiz sie nennen: Karin Kellooo-Suttooo. Weil wir in der Ostschweiz das R nicht richtig aussprechen können. Ostschweizer*innen klingen beim Reden immer ein bisschen so, als wären sie gerade sehr überrascht oder erstaunt:

Ah! Oh! Awww!

Ich weiss, wovon ich rede. Mein Name ist nicht nur Kaiser, also Kais-oh. Sondern auch noch Renato. Meine italienische Mutter hatte ja keine Ahnung, was sie ihrem Sohn damit antut, einen Namen mit R zu wählen in einer Region, die kein R aussprechen kann.

Aber zurück zu Karin Kell-oh Sutt-oh, sozusagen dem namentlichen Eoodbeootöootli im Bundesrat. Aber nur vom Namen her. Nein, süss und lieblich sei sie nicht, wird immer wieder wiederholt. Kalt sei sie, unnahbar, viel zu perfekt.
Auch ein Vorwurf, den Männer nicht so schnell hören. Viel zu perfekt! “Au nein! Die Frau ist viel zu perfekt! WAS MACHEN WIR DENN JETZT!?“
Und eben: Kalt und unnahbar. Ja, aber was sollen denn Politiker*innen sonst sein? Warm und nahbar? Ugh! Das ist ja ekelhaft!

„Du, luäg, ich finds aifach wichtig, obi mit dem chönt äs Bierli trinkä“

NEIN! Ich will nicht mit denen Bier trinken. Die sollen mich in Ruhe lassen. Und eigentlich will ich nicht mal, dass DIE Bier trinken. Wenn man sich gewisse Entscheidungen im Parlament anschaut, scheint schon wirklich genug Alkohol im Spiel zu sein. Ob ich mal mit einem Bundesrat ein Bierli trinken will? „Nein, Bundesrat! Stell Dein Bier weg, Du bist besoffen!“

Und es bringt uns auch nichts, wenn die volksnah sind. Bundesrat Albert Rösti hat bei Late Night Switzerland mit Stefan Büsser rumgekumpelt und lustig Schlagzeug gespielt, nur um danach das SRF in die Tonne zu hauen, herzlichen Glückwunsch, wie blöd kann man eigentlich sein? Oder Alain Berset, der hat die Long Covid Betroffenen im Stich gelassen – denen bringt es auch nicht viel, wenn er volksnah an der Street Parade mit Federboa und Fedora rumhüpft wie ein unangenehmer Onkel in der Midlife-Krise, im peinlichsten Outfit der Bundesratsgeschichte. Also im zweitpeinlichsten Outfit. Wir dürfen natürlich nicht Ueli Maurer im Trychlerhemd vergessen. Die Anti-Corona-Demos waren ja auch eine Zeit lang so was wie die Street Parade der SVP. Volksnähe ist nicht immer gut, manchmal kann sie sogar ansteckend sein…

Aber auch davon abgesehen: Die Art und Weise wie über Karin Keller-Sutters fehlende gute Laune berichtet wird, nimmt absurde Züge an. Sogar die SRF-News Moderatorin hat den Beitrag zur Bundespräsidentinnenwahl eingeleitet mit: „Man sieht sie selten so fröhlich – heute aber strahlt Finanzministerin Karin Keller-Sutter“. Stell dir vor, du hast Dein Leben lang gearbeitet, hast es in einer absoluten Männerdomäne ganz an die Spitze geschafft, bist Bundespräsidentin geworden und die Leute sagen immer noch: „Lächel doch mal.“ Jede Linke müsste eigentlich unter Protest auf die Barrikaden gehen!

Und mit Linke meine ich: Karin Keller-Sutter! Ja! Offenbar! Das habe ich im grossen Tagi-Portrait gelesen: „Ich war eine junge Protestlinke“, sagt sie da. Und ich muss sagen, diese Vorstellung gefällt mir sehr. Stellen Sie sich vor, irgendwann Anfang der 80er Jahre ist irgendein besoffener, verkiffter Punk mit Karin Keller-Sutter rumgehangen, hat mit ihr Karl Marx gelesen, über den Kapitalismus und die Regierung geschimpft und jetzt ist seine Genossin von damals Finanzministerin und Bundespräsidentin. Was für ein Trip. Der wird nie mehr Drogen nehmen, glauben Sie mir.

Apropos Linke und Protest: Ständeratspräsident Andrea Caroni von der FDP hat mal zu mir gesagt, er fände es schade, dass alle Kabarettist*innen immer so links seien – und ich verstehe das nicht. Schliesslich ist die FDP seit Jahren die absolut lustigste Partei. Nur: Während die Linken Geschichte und Germanistik studieren und somit Zeit haben, Satire zu machen, stecken die Bürgerlichen ihren Satire-Nachwuchs viel zu früh hinter den Bankschalter oder in die Politik und schlussendlich landen sie dann im Parlament und machen dort Satire im Nebenerwerb. Zum Beispiel FDP-Präsident Thierry Burkart. Als er kürzlich verkündete, dass die SVP immer weiter ins linke Lager kippe, fand ich das den lustigsten Satz des Jahres, Chapeau.

Und man muss sagen: Ein bisschen von ihrem linken Gedankengut hat Karin Keller-Sutter beibehalten. Als sie bei der Rettung der CS gefragt wurde, ob man Bankmanager künftig besser kontrollieren müsse, hat sie gesagt: „Wissen Sie, man kann Vertrauen nicht regulieren“. Der Satz könnte von einer Sozialarbeiterin sein. Der Remo Largo der Finanzwelt. Anti-autoritäre Erziehung mit Liquiditätshilfen.

Sie deswegen aber als Verteidigerin der Grossbanken abzuschreiben, ist zu einfach. Auf die exorbitanten Boni der Topbanker angesprochen, sagte sie 2022: „‚Ich kann gewisse Summen nicht nachvollziehen‘. Als Kind habe sie gedacht, der Lohn eines Bundesrats sei das Mass aller Dinge. Sie müsste aber bis 2054 im Amt bleiben, um so viel verdient zu haben wie Ermotti mit nur einem Bonus.“ Apropos: Im Tagi-Portrait stand auch, Karin Keller-Sutter habe sich, nachdem die UBS alle Kredite zurückgezahlt hat, monatelang nicht mehr bei Sergio Ermotti gemeldet. Und das gefällt mir auch sehr. Also ich meine: Wir haben ja alle schon Leute auf WhatsApp geghostet. Aber ich glaube, keiner davon war der Chef der grössten Schweizer Bank.

Und natürlich tut sie das. Schliesslich war Karin Keller-Sutters Name in ihrer Verbindung nicht „Ma Chère“ sondern, La Mégère, die Widerspenstige. Und auch wenn Sie sich selbst nicht eine Feministin nennt, ist sie ein Vorbild für viele Schweizer*innen. Sogar für Tamara Funiciello. Ja. Hab ich gelesen. Wenn auch mit Vorbehalt, anscheinend. Tamara Funiciello wird im Tagi-Portrait gefragt: „Ist Karin Keller-Sutter ein Vorbild für Sie?“ Und dann steht: ‚Funiciello schweigt mindestens zehn Sekunden lang.

Zählen Sie mal auf 10.

Ja, machen Sie mal.

Sie merken: 10 Sekunden sind lang. In der Zeit hat Tamara Funiciello im Kopf dreimal die Internationale gesungen und zu Simone de Beauvoir gebetet, aber dann hat sie gesagt: Ja.

Denn man kann es drehen, wie man will, man kann verschiedene Meinungen haben, aber eins steht fest. Sie ist eine sehr gute Politikerin. Und wenn Sie jetzt denken, ja eben: Stimmt. Jetzt haben wir hier die Bundespräsidentin und es kommt irgend so ein weisser, cis, hetero Mann und macht Witze!? Keine Angst, ich glaube, das hält sie locker aus. Vergessen Sie nicht. Die musste sich in ihrer Karriere mit Männern wie Johann Schneider-Ammann oder Ueli Maurer rumschlagen. Da kann ihr irgend so ein protestlinker Studienabbrecher und Satiriker nicht viel anhaben. Ausserdem ist mir bewusst, dass sie ins Boxtraining geht… Und dass auch Vertreter*innen der FedPol gerade anwesend sind. Ausserdem stand im Tagi-Portrait auch, „dass KKS nicht davor zurückschreckt, ihre Macht auszuspielen“. Nicht nur, aber auch aus diesem Grunde mache ich jetzt die Bühne frei. Auch ich, liebe Bundespräsidentin, gratuliere Ihnen zur Wahl und bitte Sie, liebes Publikum, um einen grossen Applaus für Karin Keller-Sutter!