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Nichts macht mit so wenig Aufwand so viel Eindruck wie ein mittelmässiges, selbstgebackenes Brot. Eure Gäste werden Euch loben, Eure Liebsten werden Euch wieder lieben, Eure Eltern werden Euch wieder sagen, wo sie wohnen.

Herzlich willkommen in der zauberhaften Welt von

RENATO KAISERS KÖRNERBROT

Zutaten für 4 Personen:

500 g Dinkel-, Vollkorn-, Ruch-, Irgendein-, ausser Weissmehl

1 ½ TL Salz (eher mehr, das soll ja keine Hostie werden)

1 EL Öl (oder Butter oder Margarine oder nichts, Sie Unmensch)

15 g Hefe (halber Würfel oder 1 Päckli Trockenhefe)

1 gute Handvoll Kerne

3 ½ dl Wasser

Zaggbumm, los geht’s. Das Mehl in die Schüssel rein. Jedes Mehl ist gutes Mehl, ausser Weissmehl, wäh, das schmeckt nach nichts. «Ich hätte gerne ein Stück Weissbrot», pfui Deibel, niemand sagt das. Weissmehl braucht man für Pizza, weil da noch Sugo draufkommt und Mozarella und Pilze und Schinken und (bei Italo-Blasphemisten) Ananas (geht’s noch?). Klar, Sie können auch Pizza mit Vollkorn-, Dinkel- oder Quinoamehl machen, aber wozu die Mühe? Schreien Sie doch gleich aus dem Fenster, dass Sie grün wählen (aber dann das Fenster gleich wieder zu, Stichwort Stosslüften). Also: Mehl in die Schüssel, Salz in die Schüssel, Hefe ganz romantisch wie ein Meisterbäcker in den Handflächen zerkrümeln (ausser bei Trockenhefe, denn – aufgepasst – das ist ein Pulver) und dann auch in die Schüssel.

Das Ganze schon mal verrühren, damit es sich bereits ein bisschen wie kochen anfühlt, dieses Backen, lecker, lecker, schau mal, Mama, ich bin jetzt gross, dann: Die Kerne. Ganz wichtig. Oder Körner. Wer kennt schon den Unterschied. Nehmen Sie irgendwelche, hauen Sie rein, flippen Sie aus, Sonnenblumen-, Kürbiskerne, Leinsamen, Baumnüsse, ist doch egal, Hauptsache, es macht Eindruck und bleibt zwischen den Zähnen hängen. Alles in die Schüssel, nochmal verrühren und an Mama denken (stolz).

Dann, grosser, wichtiger Moment: Wasser dazu. Am besten lauwarm. Hab ich das zu spät gesagt? Tja, schade, jetzt nehmen Sie wohl oder übel dieses eiskalte Wasser, und schütten Sie es drüber. Fühlt sich halt nachher gleich an, als würden Sie den Teig direkt in einem Bergbach kneten (wie es sich in der Schweiz eigentlich auch gehört). Und das tun Sie jetzt: Kneten, als ginge es um ihr Leben. Und ehrlich gesagt tut es das auch, weil das Wasser so kalt ist. Wenn Sie mindestens 15 Minuten intensiv kneten, wird der Teig glatt und geschmeidig, und Sie verlieren Ihr Leben nicht (aber vielleicht einen Finger, wegen Frost, doch ein gutes Körnerbrot ist dieses Opfer wert). Der Teig ist jetzt perfekt, wow, Sie freuen sich, wollen ein High-Five machen, aber niemand ist da, schade. Sie sagen laut «gut gemacht» und strecken beide Daumen hoch (wenn sie beide noch haben). Dann den Teig zurück in die Schüssel, mit lauwarmem (!), feuchtem Tuch abdecken, 60 Minuten ruhen lassen.

Der Teig geht auf, Sie schauen eine beliebige Fernsehsendung, in der ich vorkomme (win-win). Dann gehen Sie zurück zur Schüssel, freuen Sich, tätscheln den Teig, sagen «schau, Du bist aber gross geworden!» und gucken sich um, ob niemand gesehen hat, dass Sie mit Ihrem Teig reden. Teig bitzli nachkneten, bis es sich schön anfühlt (Sie werden es spüren), dann in eine gewünschte Form bringen (die meisten bevorzugen Brotform), einschneiden mit lustigem Muster, auf ein Backblech mit Backpapier, und dann ab in den Ofen.

Bei 220 Grad Celsius so lange backen, bis es gut ist. Aber wie lange, fragen Sie sich? Wenn der Ofen vorgeheizt ist, etwa eine halbe Stunde. Wenn nicht, mehrere Tage. Spass bei Seite: Finden Sie es heraus, schauen Sie dem Brot beim Backen zu, das ist spannender als eine beliebige Fernsehsendung (ohne mich).

Mein Tipp: Nehmen Sie das Brot raus, drehen Sie es um, klopfen Sie auf die Unterseite und rufen Sie «Hallo? Ist da jemand?» und wenn niemand antwortet, ist das Brot gut. Dann auskühlen lassen, am besten ganz prominent vor einem Fenster, vielleicht sogar auf dem Sims, damit es auch die Nachbarn sehen. Dann Telefon in die Hand nehmen und Lieblingsnummer eintippen: Mama ist stolz.

(Das auf dem Bild ist ein Beispielbrot ohne sichtbare Körner, wollte nicht prahlen.)